An der Schnittstelle

Bislang existiert keine Impfung für Wurmparasiten beim Menschen. Prof. Dr. rer. nat. Franco Falcone sucht in seiner DRUID-Professur unter anderem nach neuen Entwicklungsansätzen. Er setzt dabei nicht nur auf die Biologie.

In einer idealen Forschungswelt – wie sie sich Franco Falcone vorstellt – verbünden sich die Expert:innen eines Fachgebiets weltweit, um drängende wissenschaftliche Probleme zu lösen. In der Parasitologie, dem Feld von Falcone, könnte das Ideal etwa so umgesetzt werden: „Wir suchen einen Parasiten aus, arbeiten alle abgestimmt daran und nach zwei Jahren hätten wir die größten Aufgaben erledigt“, malt Falcone aus. „Wir hätten für diesen Krankheitsauslöser eine gute Diagnosemöglichkeit entwickelt, ein wirksames Medikament und eine Impfung, um die Erkrankung zurückzudrängen.“

Ist die Mission erfüllt, konzentriert sich die Forschungswelt auf den nächsten Parasiten – und kann dabei auf die Erkenntnisse des ersten Großprojekts aufbauen und schneller werden. „Die Corona-Pandemie hat uns gelehrt, wie rasch man vorankommt, wenn viele zusammenarbeiten“, sagt Falcone.

Austausch von Erfahrung und Technologie

Vielleicht erklärt diese Sichtweise, warum sich der Parasitologe so für das Forschungsprogramm des  LOEWE-Zentrum DRUID begeistert, das derzeit über eine DRUID-Professur einen wesentlichen Teil seiner wissenschaftlichen Arbeit am Institut für Parasitologie der Universität Gießen finanziert. Die Herangehensweise von DRUID kommt der Idealvorstellung von Falcone recht nah. „Es ist eine hessische Initiative und keine weltweite“, verdeutlicht er. „Aber ich kenne in Deutschland und auch anderswo kein vergleichbares Projekt, das die Bemühungen gegen viele schwere tropische Infektionskrankheiten derart fokussiert.“ Der Austausch von Erfahrungen und Technologie innerhalb von DRUID beschleunige die Forschung. „Das ist toll, so kommen wir wirklich weiter“, meint er.

Beispielsweise arbeitet im Labor ein Stockwerk höher die DRUID-Nachwuchsgruppe um Simone Häberlein genauso wie das Team von Professor Falcone an bestimmten Enzymen, den Proteinkinasen. Fernziel ist beides Mal die Entwicklung neuer Medikamente: Gesucht werden Kinasen, die sich durch Arzneistoffe ausschalten lassen, so dass der Parasit stirbt. Der Unterschied: Während Häberlein den Leberegel Fasciola hepatica im Blick hat, geht Falcone gegen den Pärchenegel Schistosoma mansoni vor, den Erreger der Bilharziose. Verschiedene Krankheitserreger; dennoch ist wegen des gemeinsamen Grundgedankens viel Erkenntnisaustausch möglich.

Biologie und Biochemie im Doppelpack studiert

Franco Falcone schätzt die Möglichkeiten von DRUID noch aus einem anderen Grund. „Je älter ich werde“, berichtet der 57-jährige Biologe und Biochemiker, „desto wichtiger wird es mir, dass meine forscherische Arbeit auch mit einer konkreten Anwendung in Verbindung steht.“ Freiheit in der Grundlagenforschung und Zielorientierung, das ergänze sich bei DRUID sehr gut, findet Falcone.

Seine forscherische Leidenschaft liegt spätestens seit seiner Doktorarbeit an der Schnittstelle zwischen Biologie und Medizin. Franco Falcone, aufgewachsen in Luxemburg, begann zunächst Chemie zu studieren, merke aber bald, dass ihm dabei der „Bezug zur belebten Welt“ fehle. Er schwenkte nach dem Vordiplom um auf Biochemie. Weil ihm da immer noch zu wenig „Bios Logos“, die „Lehre vom Leben“, enthalten war, studierte er parallel auch noch Biologie – und machte in Tübingen Diplome in beiden Fächern.

Allergierisiko erschwert die Entwicklung

Bei all den Themen, mit denen er in der Biologie in Kontakt kam, sei die Parasitologie für ihn der „Eye Opener“ gewesen. „Hochspannend“ die Erkenntnis, welche komplexen Organismen die Evolution hervorbringt und wie umfassend und speziell Parasiten an ihre Wirte angepasst sind.

Mindestens genauso spannend: „All die verheerenden Krankheiten, die parasitäre Würmer beim Menschen auslösen und die schlimme Situation bei den vernachlässigten Tropenkrankheiten“, berichtet Falcone. Das habe bei ihm „voll eingeschlagen“. Er wollte seinen Teil beitragen – als forschender Biologe. Er promovierte am Forschungszentrum Borstel, einem Institut der Leibniz Gemeinschaft, über Schistosoma mansoni, eine bestimmte Gruppe weißer Blutkörperchen, die basophilen Granulozyten, und über Immunglobulin E (IgE).

Dieser Typ von Antikörpern ist maßgeblich an der Entstehung von Allergien bei Menschen beteiligt. Auf der anderen Seite haben IgE-Antikörper auch einen zentralen Nutzen: Sie sind wichtig, um Parasiten-Infektionen abzuwehren. Diese ambivalente Rolle des IgE im Immunsystem ist wissenschaftlich längst nicht im Detail verstanden. Sie ist jedoch ein wesentlicher Grund, warum es bisher nicht gelungen ist, für Menschen einen Impfstoff gegen Wurmerkrankungen zu entwickeln.

„Die Herausforderung besteht darin, ein Antigen des Parasiten zu finden, das für die Impfstoffentwicklung geeignet ist. Zugleich darf es aber auf keinen Fall von IgE erkannt werden – sonst droht bei einer Impfung eine überbordende allergische Reaktion. Das wäre viel zu riskant“, erklärt Falcone. Ein weiteres seiner DRUID-geförderten Projekte dreht sich genau darum, das besagte, passende Molekül für Impfungen zu finden.

Bessere Diagnosemöglichkeiten für Wurmerkrankungen

Doch bis dahin ist es ein weiter Weg. Wie erwähnt, ist die IgE-Abwehr von Parasiten noch verhältnismäßig wenig wissenschaftlich ergründet. Die Gruppe um Falcone beschäftigt sich darum gegenwärtig damit, schützende Immunreaktionen auf dem Level der Grundlagenforschung besser zu verstehen. Der Hundebandwurm, Echinococcus granulosus, der auch Menschen – also sogenannte Fehlwirte – befallen kann, ist dafür das Forschungsobjekt. Das Wissen, das sein Team dabei zu Tage fördert, soll neben der Impfstoffentwicklung gleich noch helfen, bessere Diagnosemöglichkeiten für Parasitenerkrankungen zu etablieren.

Bisherige Standardtests liefern meist lediglich Hinweise, dass ein Wurmbefall besteht. Welchen Parasiten genau man im Körper hat, ist oft nur mit hohem Aufwand herauszufinden.

Gerade in den Ländern des globalen Südens mit der enormen Verbreitung parasitärer Erkrankungen – vor allem auch bei Kindern und Schwangeren – wären einfache und zugleich zuverlässige Diagnosemethoden nötig, die zum Beispiel eine Reihen-Untersuchung, ein Screening, ermöglichen. „Unser Ziel ist es, zunächst für Echinococcus eine Diagnosetechnologie zu erarbeiten – und zwar so, dass sich das Prinzip leicht auf andere Parasiten übertragen lässt“, berichtet Falcone.

Möglichst viel vernetzte Wissenschaft

Da ist sie wieder, die Idealvorstellung von der systematischen Aufarbeitung drängender Forschungsaufgaben. Die wissenschaftlichen Methoden, die Falcone dafür anwendet, haben sich im Laufe seiner universitären Laufbahn oft verändert: Von 1997 bis 1999 arbeitete er als DFG-Stipendiat zunächst im schottischen Edinburgh und dann von 2003 bis2019 in Nottingham in England, zunächst als Wellcome Trust Stipendiat, und lernte dort viel von seinem Umfeld an der School of Pharmacy über Nanotechnologie und gezielte Wirkstoffabgabe. Gleich geblieben ist seine prinzipielle Herangehensweise: „Neue Forschungsansätze und Ideen entstehen oft, indem ich Bereiche kombiniere, die traditionell eher getrennt betrachtet werden“, sagt er. „Konkret die Parasitologie und die Allergologie.“ Dieses vernetzte Denken lasse sich auch gut in die DRUID-Projekte einbringen.

Seit 2019 ist Franco Falcone in Gießen an der Universität. Sein Team umfasst derzeit 5 Mitarbeitende und ist global vernetzt. Erst kürzlich hat ein Gastwissenschaftler aus Südafrika in den Gießener Laboren Experimente zu einer IgE-vermittelten Allergie gegen rotes Fleisch gemacht, die üblicherweise von Zeckenstichen ausgelöst wird –  aber möglicherweise auch von Spulwürmern. Parasiten – IgE – Allergien: Die Fäden laufen auch hier in einen gemeinsamen Forschungsstrang und in die vernetzte Wissenschaft, die Falcone schätzt.



Ansprechpartner